Pirkmühle
Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte 1479. 1497 wurde sie ein weiteres Mal urkundlich erwähnt. Im Mühlenverzeichnis von 1683 wurden vier Mahlgänge festgehalten. 1841 wurde die Mühle am alten Standort neu erbaut. Bis 1920 dienste sie zur Stromerzeugung und später bis ….. als Umspannwerk.
Von der Wassermühle zum Elektrizitätswerk: Die Pirkmühle
Aus dem Archiv des Heimatforschers Frieder Strobel, Pirk
Vom Sächsischen Landesarchiv, aus alten Firmenpapieren bis hin zu Flohmärkten hat Herr Strobel ungewöhnliche Dokumente zur Industriegeschichte im Vogtland zusammengetragen.
Die Pirkmühle, vor der Kulisse der Autobahnbrücke Pirk gelegen, schaut auf eine lange Historie zurück. 1479 belehnen der Sächsische Kurfürst Ernst sowie der Herzog Albrecht den Ritter Caspar Sack zu Geilsdorf mit „dem oberen und unteren Vorwerk zu Pirk und der Mühle“. (Ein „Vorwerk“ war der landwirtschaftliche Wirtschaftshof eines großen Gutes). Die Geilsdorfer hatten Pirk in den Sack gesteckt, wenn man so sagen darf.
Im Jahre 1683 veranlassten Sachsens Kurfürsten eine Bestandsaufnahme. (Vergleiche Heft 5 des „Boten“!) Da gehörte die Mühle noch immer dem Rittergut Geilsdorf und war verpachtet, hatte vier Mahlgänge und war unter insgesamt 212 Mühlen eine der „großen Mühlen“ in Sachsen. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Wirtschaft in den Städten. 1749 erwarb der Plauener Handelskaufmann Johann Friedrich Hüttner die ehemaligen „Vorwerke“ von Pirk und Türbel. Auch die Mühle ging an die Hüttners.
Hundert Jahre später hatten die Wassermühlen im Wettbewerb mit moderneren Dampfmühlen bald zu kämpfen. „Ihr Kind ist eine reiche Braut“ – so heißt es von der Müllerstochter in Franz Schuberts Liedtexten – damit sollte es bald vorbei sein! 1867 verkauften die Hüttners die Mühle für 15.450 Taler an ein „Sächsisches Blaufarbenwerk Consortium“. Acht Jahre später kaufte sie der Drödaer Mühlenbesitzer Franz Wolf für 2/3 dieser Summe zurück. Franz Wolf ist der „Mühlenfranz“, der beim Steinmetzen seinen Grabstein nicht abgeholt hat (Herrenhausbote Nr. 5). Zu dieser Zeit gehörte auch noch eine Schneidmühle zu dem Unternehmen. Die Getreidemühle nutzte über einen ca. 600 m langen Mühlgraben die Wasserkraft der Weißen Elster. Die Schneidmühle hingegen wurde vom Kemnitzbach angetrieben. Trotz dieser Neuerungen ging Wolf 1905 in Konkurs.
Walther Gustav Hüttner kaufte die Pirkmühle für das nunmehrige Rittergut Pirk zurück und baute sie ab 1906 zu einem Elektrizitätswerk mit einem eigenen Überlandnetz um.
Erste kleine, private Elektroanlagen gab es im Vogtland seit 1882. 1897 entstand in Plauen das Städtische Elektrizitätswerk.
Noch bevor der erste Antrag auf Genehmigung der Installation einer Turbinenanlage bei der Sächsischen Regierung registriert wurde, hatte Hüttner die ersten Monteure eingestellt. Anstelle des bisherigen Wasserrades ließ er eine Francis-Zwillingsturbine zum Antrieb eines Dynamos einbauen. Parallel dazu trieb Hüttner eine Bedarfsforschung in den umliegenden Gemeinden und schloss Konzessionsverträge mit den Orten Pirk, Unterweischlitz und Kürbitz ab. Sehr schnell zeigte es sich, dass die Wasserkraft des Elstermühlgrabens keine Basis für die Industrialisierung der umliegenden Orte bot. Bereits am 4. Februar 1907 stellte Hüttner einen Antrag an die zuständige Amtshauptmannschaft Plauen, eine Heißdampflokomobile in der Pirkmühle aufstellen zu dürfen. Einen Monat später datiert die Genehmigungsurkunde zur Montage eines feststehenden Dampfkessels durch die Firma Heinrich Lanz aus Mannheim. Am 29. Mai 1907 meldete Hüttner die Inbetriebnahme der „Lokomobile“. Dies war jedoch keine straßenfahrbare kleine Lokomotive, wie sie für Anwendungen in der Landwirtschaft und in der Industrie konstruiert wurden, sondern eine große stationäre Dampfmaschine. In der Pirkmühle trieb sie den bereits vorhandenen Elektrogenerator an.
Der rasch ansteigende Strombedarf in den umliegenden Dörfern machte schon 1911 die Aufstellung einer zweiten und 1913 einer dritten Heißdampflokomobile nötig. Zur Unterbringung dieser Maschinen entstand ein eigenes Kraftwerksgebäude. Es fügte der alten Mühle einen fabrikähnlichen Neubau hinzu.
Als Heizmaterial dienten vorrangig Braunkohlenbriketts, aber auch Steinkohle. Ein entscheidender Standortnachteil war der fehlende Gleisanschluss. Wir müssen davon ausgehen, dass die Kohlen vom Bahnhof Pirk mit Pferdefuhrwerk zur Pirkmühle angefahren wurden. Die Entfernung beträgt ca.1 km, die Fuhrwerke mussten einen erheblichen Höhenunterschied überwinden.
Um 1921/1922 musste Hüttner eine Fremdeinspeisung vornehmen lassen. Er unterzeichnete 1921 einen Vertrag mit dem „Vogtländischen Elektrizitätswerk“ in Bergen bei Falkenstein. Danach speiste eine 10.000-Volt-Freileitung aus dem Überlandnetz von Oelsnitz/Vogtl. über einen 10.000/3000-Volt-Transformator die Energie in das Hüttnersche Überlandnetz ein.
Die Inflationszeit zwang Walther von Hüttner, das Elektrizitätswerk Pirk in eine GmbH umzuwandeln.
Der Ingenieur W. Baumgart aus Plauen wurde als Geschäftsführer der „Elektrizitätswerk Pirk G.m.b.H.“ eingesetzt. Der Betriebsleiter Franz Freund, seit 1906 im Amt, erledigte auch weiterhin die Betriebsgeschäfte.
Ein Rechnungsbuch belegt, dass die letzten Lieferungen von Steinkohle und Briketts im Februar 1923 erfolgten. Der Dampfbetrieb wird eingestellt, das Werk angeschlossen an die „Westkraftwerke Bergen“. Der Heizer und Maschinist Klim wird im März 1923 entlassen, später als Schaltwärter wiedereingestellt.
Während der unwirtschaftlich gewordene Dampfbetrieb eingestellt und die Anlage an das regionale Verbundnetz angeschlossen ist, wird im Jahre 1925 die Wasserkraftanlage erneuert. Die Firma J. M. Voith aus Heidenheim in Württemberg baut eine neue Francis-Turbine mit liegender Welle und eine Spiralturbine ein. Im Dezember 1925 ist dieser Umbau abgeschlossen.
Im August 1927 gibt es wieder eine neue Adresse: „EW Pirk G.m.b.H. in der Aktiengesellschaft Sächsische Werke Dresden, Kraftwerke Westsachsen, Betriebsdirektion Bergen i.V.“
Ein neuer großer Umbau erfolgt 1938/1939. Im leerstehenden Teil des Mühlengebäudes entsteht im Erdgeschoss der Antrieb der Wasserkraftanlage mit dem 3000-Volt-Generator samt Regel und Synchronisierungseinrichtung sowie der 10.000 /3000 Volt- Transformator. In der ersten Etage wurden neue Hochspannungsschaltzellen für die Überlandleitungen eingebaut. Zugleich wurden auch die Wohngebäude modernisiert.
Im Sommer 1945 wurde die Aktiengesellschaft Sächsische Werke verstaatlicht. Nun nannte man sich: Energiebezirk Ost, Vereinigung Volkseigener Betriebe (Z), Betrieb Bergen, Betriebsstelle Pirk.
1965 wurde die Turbinenanlage stillgelegt. In den Folgejahren wurde die Maschinenhalle abgerissen, die gesamten Schaltanlagen im Gebäude wurden liqudiert. Eine Zeit lang wurden in den stillgelegten Hochspannungsschaltzellen Kaninchen einquartiert.
1962 begann die SAG Wismut mit Erschließungsarbeiten im Kemnitztal. Bis heute ist uns davon der artesische, 25° C warme Mineralbrunnen an der bachaufwärts gelegenen Neumühle geblieben. Die Wismut forderte einen Anschluß von 2000 kW. Deshalb wurde 1962 von Plauen her eine 30.000V-Hochspannungsleitung zur Pirkmühle gebaut. Neben der Pirkmühle entstand ein Umspannwerk in Freiluftbauweise, welches mit Veränderungen noch heute besteht. Die Zuleitung wurde inzwischen heruntergestuft auf 10.000 Volt, und die Anlage versorgt Orte bis hinaus zur sächsischen Landesgrenze.
Die Geschichte der Pirkmühle mit all ihren Brüchen und Neuanfängen ist typisch für unsere Region. Wach für technische Neuerungen, nutzten die Leute die bescheidensten Ressourcen, schafften Arbeit und brachten das Land voran. Mitunter überrollte die technische Entwicklung die kleinen Firmen. Dann wurden neue Strategien entwickelt, um die Existenz zu erhalten.
Ist nun die Geschichte des Kraftwerks Pirkmühle zu Ende? Um das Jahr 1994/95 hat ein Investor versucht, die Anlage wieder zu beleben. Der Ruf nach CO²-neutralen Energiequellen könnte es möglich machen. Der Mühlgraben und Kanäle im Werksgelände sind noch vorhanden. Entgegen stehen Auflagen und Forderungen des Gewässerschutzes und öko-nomische Zwänge. Die mögliche Energieausbeute hält sich in Gren-zen.
Das Großfoto vom Weischlitzer Fotografen Fritz Hohberg zeigt den Antransport einer der Dampfma-schinen auf dem Bahnhof Pirk. Die großen Schwung-räder waren zum Transport abmontiert. Sie sind auf der nebenstehenden Werbung der Firma Lanz gut zu erkennen. Das Heizhaus in der Pirkmühle war mit drei Blechschornsteinen ausgestattet, die man auf alten Fotografien noch sehen kann.
Frieder Strobels Archiv bietet eine Menge zeitgeschichtlicher Einblicke.
Neue Vogtländische Zeitung vom 9. Oktober 1907:
In dem aufstrebenden Orte Weischlitz i.V. ist auch jetzt ein Fernsprech-Vermittlungsamt eingerichtet worden, das am 10. Oktober in vollem Umfang in Betrieb genommen werden wird. Als Teilnehmer ist die damalige Geschäftswelt angeschlossen:
Ott, Andreas, Fischhandlung Unterweischlitz
Puffe, Edwin, Kaufmann Unterweischlitz
Hom, Dr.med., Arzt in Oberweischlitz
Tröger, Richard, Kohlen-, Futter- und Düngemittelhandlung Oberweischlitz
Schmidt & Co., Appretur-Anstalt und Färberei Unterweischlitz
Ton- und Ziegelwerk Weischlitz GmbH, Unterweischlitz
Zehmisch, Robert, Rosengärtnerei, Unterweischlitz
Kasten, Rittergutsbesitzer, Oberweischlitz
Hüttner, Walther, Rittergutsbesitzer, Pirk
Flinzer, Dr., Medizinalrat, Königl. Bezirksarzt in Plauen, Pirk
(Dr. Flinzer wohnte im „Schweizerhaus“ zwischen Pirkmühle und Autobahnbrücke.)
Das Fernmeldeamt in Weischlitz müsste bereits einen elektrischen Stromanschluß vom Elektrizitätswerk Pirk zum Aufladen der Speisebatterien im Vermittlungsamt besessen haben.
Am 28. Juli 1911 teilt Rittergutsbesitzer Walther Hüttner „der Königlichen Amtshauptmannschaft Plauen ... ergebenst mit, dass an dem hiesigen Elektrizitätswerk aus dem Bezirk der Amtshauptmannschaft Plauen folgende Orte angeschlossen sind: Ober- und Unterweischlitz, Kürbitz, Pirk, Türbel, Groß- und Kleinzöbern, außerdem noch das Rittergut Dröda der Amtshauptmannschaft Oelsnitz.“
Im Elektrizitätswerk Pirk standen dauernd 7 – 8 Beschäftigte in Lohn und Brot. Neben dem Geschäftsleiter Franz Freund waren dies drei bis vier Monteure, ein Maschinist bzw. später ein Schaltwärter und zwei Ablesekassierer.
Der Rittergutsbesitzer Eduard Hüttner wurde anlässlich des Königsgeburtstags am 25. Mai 1912 in den Adelsstand erhoben. Dieser Titel vererbte sich an die Nachkommen, so auch an den Sohn Walther von Hüttner.
Der Maschinist und spätere Schaltwärter Theodor Klim stammte aus dem Städtchen Pabianice bei Lodz in Polen. Klim diente im 1. Weltkrieg in der russischen Armee und kam als Kriegsgefangener nach Pirk aufs Rittergut. Im Jahre 1923 bescheinigt ihm die Geschäftsleitung, dass er „fleißig, gewissenhaft, ordentlich“ arbeitet.
Links: Alfred Degenkolb; rechts Theodor Klim aus Lodz
Der Monteur Alfred Degenkolb wird im Jahre 1936 entlassen, weil der Energie-versorger die Betriebsaufgabe der Hausinstallation und den Kundenservice an die Privatwirtschaft auslagert. Der Betriebsleiter Franz Freund gibt sich große Mühe, diesen Schritt zu begründen. Er informiert, dass mit dem Berufsverband des Elektrohandwerks die Übernahme der freigesetzten „Gefolgschaftsmitglieder“ vereinbart sei. Degenkolb gründet bald danach im nahen Göswein eine eigene Installationsfirma.
Ganz anders reagierte die Firma, als die Witwe Ida Sünderhauf am 29. März 1936 beim gemeinsamen Hören einer Hitlerrede fehlt. „Da dieser Appell des Führers als Dienst anzusehen ist und Sie sich dem Gemeinschaftsgedanken unberechtigt und ohne Grund entzogen haben, erteile ich Ihnen ... eine Verwarnung“, verbunden mit Androhung weiterer Sanktionen im Wiederholungsfall.
Auch die „verkrachte“ Neuinvestition von 1994/95 ist bedauerlicherweise ein Stück typischer Zeitgeschichte nach der Wiedervereinigung. Viel Geld ist in die Pirkmühle geflossen, und nun steht sie als Konkursmasse leer und verfällt.
Foto: Drei Monteure vor einer kleinen Trafostation, ihre Namen sind nicht bekannt.